1.
Ich habe Haare auf den Zehen. Es ist nicht genug, dass
ich immer die breitesten Füße mit den dicksten
Kartoffelzehen habe. Nein, auf diesen kleinen Knubbeln
müssen auch noch drahtige Stoppeln wachsen. Eigentlich
habe ich kein Problem mit überschüssigem Testosteron,
aber ich bin wohl die einzige Frau auf dem Planeten, die
Enthaarungswachs auf den Zehen verwendet - wie ein
verfluchter Hobbit.
Mit einem unterdrückten Schrei ziehe ich den
Wachsstreifen von meiner Haut. Prompt wickelt sich unser
Kätzchen Bumblebee darin ein, weil sie mit einem halben
Jahr immer noch nach allem schnappt, was sich bewegt.
„War das nötig, Bumy?“, frage ich das wenig
beeindruckte, schwarze Fellknäuel.
Jetzt rede ich schon mit dem Vierbeiner. Ich muss
dringend unter Leute. Und damit meine ich nicht den
täglichen Kaffeeausschank in meinem Job im Coffeeshop
Trudi´s.
Mit einer Menge Geschrei (von der Katze) und einem
zerkratzten Arm schaffe ich es schließlich, sie von dem
Streifen zu lösen, ohne sie an dieser Körperstelle völlig
haarlos zurückzulassen. Bumblebee liegt zu meinen Füßen
am Badewannenrand und leckt ihre „Wunde“, während ich
die Kratzer auf meiner Haut desinfiziere.
Nur ein freier Abend im Monat, an dem meine 6-jährige
Tochter Anna bei meinen Eltern schläft und ich mit meinen
Freundinnen ausgehen kann, doch nach dieser Aktion habe
ich eigentlich schon keine Lust mehr.
Ich will nicht jammern, nein, das will ich wirklich nicht.
Aber ich bin erschöpft. Im Augenblick geht alles drunter
und drüber. Mein Literaturwissenschaftsstudium musste ich
abbrechen. So gerne ich auch diese starke Frau sein möchte,
ich bekomme es nicht hin. Alleinerziehend und mit einem
Halbtagsjob, schaffe ich es einfach nicht, am Abend noch
angemessen für die Uni zu lernen. Ich bewundere Mütter,
die das sogar mit zwei oder drei Kindern stemmen, doch
ich habe eingesehen, dass ich nicht diese Powerfrau bin.
Zudem muss ich mir eingestehen, dass es mir nicht so sehr
liegt, wie ich ursprünglich glaubte.
Anna ist völlig überdreht wegen ihrer bevorstehenden
Einschulung und die Situation mit ihrem Vater verbessert
das auch nicht gerade. In den letzten Wochen fechtet sie mit
mir Machtkämpfe aus, die auf einer erschreckend reifen
Ebene stattfinden.
Manchmal möchte ich mir einfach nur die Decke über den
Kopf ziehen und für die nächsten Tage nicht mehr
aufstehen, aber ich weiß auch, dass ein Abend mit Sandra
und Nicole mir die Möglichkeit gibt, Dampf abzulassen.
Und die Aussicht darauf, wenigstens morgen früh
ausschlafen zu können, motiviert mich, doch noch unter die
Dusche zu steigen, statt ins Bett, um mich für eine lange
Nacht in der Mönchengladbacher Altstadt aufzubrezeln.
Sandra und Nicole warten bereits in einem der vielen
Straßencafés auf dem Alten Markt. Anscheinend haben sie
vorgearbeitet, denn der Kellner stellt ihnen mindestens den
zweiten Longdrink vor die Nase. Und an genau dieser Nase
kann man bei Sandra prima ablesen, wenn sie etwas
gezwitschert hat, denn die verfärbt sich im Laufe des
Abends zu einem kleinen Feuermelder.
Meine beiden Freundinnen könnten unterschiedlicher
nicht sein. Nicole ist eine langbeinige, asiatische Schönheit,
die ihr atemberaubendes Aussehen einer japanischen Mutter
und einem skandinavischen Vater verdankt. Ihr köstlicher
Sarkasmus wird von Außenstehenden oft als arrogant und
herablassend empfunden, aber genau deswegen mag ich sie.
Letztendlich ist sie einfach nur grundehrlich.
Sandra ist ein draller Meterfünfzig, wie mein großer
Bruder Jakob sie gerne bezeichnet. Sie hat ein Herz aus
Gold und mit Gregor einen Mann an ihrer Seite, der sie
mehr liebt als sich selbst. Mit ihrer kupferroten
Lockenmähne ist sie ein Hingucker, nur wird sie wegen
ihrer geringen Körpergröße meist übersehen.
Zusammen mit Nicole amüsiere ich mich oft über ihr
bürgerliches Leben mit diesem biederen Mann, doch Sandra
lacht uns nur aus. Sie weiß genau, dass zumindest ich ein
wenig neidisch auf dieses geregelte Leben bin.
„Daniela beehrt uns auch endlich mit ihrer Anwesenheit“,
begrüßt mich Nicole und steht von ihrem Stuhl auf, um
mich auf beide Wangen zu küssen.
„Diese verfluchte Katze musste natürlich noch auf den
Wohnzimmerteppich kotzen, als ich praktisch schon aus der
Tür raus war. Ich frage mich jedes Mal aufs Neue, wie Anna
mich dazu überreden konnte. Als hätte ich nicht genug
Stress.“
Ich umarme Sandra und lasse mich auf einen Stuhl neben
sie fallen.
„Ich werde dir sagen, warum. Weil du deine Tochter
liebst und ihr kaum etwas abschlagen kannst, wenn sie mit
den Wimpern klimpert.“
Das kommt von Nicole, die selbst eine schmerzhafte
Erfahrung mit dem überwältigenden Charme meines
Kindes machen durfte. Schmerzhaft, vorrangig für ihre
Kreditkarte. Es ist nicht meine Schuld, dass sie unbedingt
alleine mit ihr in den Spielzeugladen wollte.
„Ich hab ihr versprochen, sie bekommt eine Katze, wenn
sie das Seepferdchen macht. Also hat sie das Seepferdchen
gemacht.“ Sie ist eindeutig meine Tochter. Mit einer
entsprechenden Belohnung konnten meine Eltern mich zu
fast allem überreden.
„Wie geht es dir?“, fragt mich Sandra und legt mir eine
Hand auf den Arm. Obwohl sie noch keine Kinder hat, ist
sie die Mütterlichste von uns. Bei ihr habe ich mich letzte
Woche ausgeheult, als ich den Entschluss fassen musste,
mein Studium abzubrechen.
„Damit abgefunden habe ich mich nicht. Aber irgendwie
wird es weitergehen. Jetzt bin ich erst mal auf der Suche
nach einem Vollzeitjob oder einem zusätzlichen Teilzeitjob
zu meiner Stelle im Trudi’s.“
„Kann Kati nicht deine Stunden aufstocken?“, fragt
Nicole. Sie denkt immer pragmatisch und packt Probleme
direkt an, ohne lange darüber zu diskutieren.
„Ich muss noch mit ihr reden. Sie war bis gestern Abend
mit Jakob und Paul im Urlaub, da wollte ich sie nicht
belästigen.“
Die Lebensgefährtin meines Bruders ist gleichzeitig meine
Arbeitgeberin und inzwischen auch eine Freundin für mich.
Außerdem ist sie die Lebensgefährtin von Paul. Ja, richtig.
Die drei führen eine Beziehung zu dritt und das beinhaltet
meines Wissens nach auch, dass die Männer miteinander
Sex haben. Da Jakob daran beteiligt ist, verzichte ich
allerdings gerne auf die schmutzigen Details.
Ich will gerade den Kellner heranwinken, doch Nicole
drückt meinen Arm wieder runter.
„Wir gehen direkt zu dem neuen Club auf dem
Kapuzinerplatz. Was du jetzt brauchst, sind ein paar nette
Jungs und anständige Cocktails.“ Angeekelt schiebt sie
ihren halb getrunkenen Longdrink beiseite.
„Jungs habe ich über. Ich brauche einen langen und
harten Fick von einem kräftigen Kerl. Und einen
anständigen Whisky.“
Dass Sandra in dem Moment ihren Wodka-Lemon durch
die Nase rausprustet ist vermutlich meine Schuld. Dass der
Kellner hinter mir ein Tablett mit leeren Gläsern fallen
lässt, möchte ich lieber nicht auf meine Kappe nehmen.
Der Club ist vollgepackt mit verschwitzten Menschen, die
sich, mehr als in der Öffentlichkeit angebracht, aneinander
reiben. Da Nicole den Besitzer kennt, bekommen wir
dennoch eine ruhige Sitzecke in der Nähe der Bar. Jetzt bin
ich doch froh, dass ich auf den Abend mit meinen Mädels
nicht verzichtet habe, nur weil ich gestresst war.
„Also, Liebchen“, sage ich zu Nicole und lege meine
nackten Beine auf ihre jeansbedeckten Oberschenkel. „Was
machen die Männer? Oder Frauen?“
Sandra rollt mit den Augen, weil Nicole ihre Hand unter
mein Kleid schiebt und kurz vor meiner Pussy ablegt.
„Alle nutzlos. Und du willst mich ja nicht mehr“, sagt sie
und macht Anstalten, meinen Hals zu küssen. Kichernd
befreie ich mich aus ihrem Griff und setze mich gerade hin.
Vor ein paar Jahren sind wir mal betrunken im Bett
gelandet, aber die Zeiten sind lange vorbei.
„Ihr zwei …“, seufzt Sandra kopfschüttelnd und trinkt in
einem Zug ihren halben White Russian aus. Wenn sie so
weitermacht, hat Gregor eine interessante Nacht vor sich.
Die Grenze zwischen „ich bin geil“ und „mir ist schlecht“
kann erfahrungsgemäß sehr schnell verschwimmen.
„Du hast gut reden. Mit deinem perfekten Ehemann hast
du bei uns chronisch untervögelten Weibern überhaupt
nichts zu meckern“, sage ich und zwinkere ihr zu. Ihre Nase
erreicht gerade den Status Feuermelder.
„Liegt an euch“, sagt sie. „An Verehrern und
Verehrerinnen mangelt es jedenfalls nicht.“
„Stimmt schon“, sagt Nicole. „Deswegen will ich aber
längst nicht alles haben, was sich anbietet. Du möchtest dir
gar nicht vorstellen, was an Singles übrig bleibt, wenn man
hart auf die 30 zugeht.“ Nicole ist die Älteste von uns
dreien und lässt uns das auch bei jeder Gelegenheit wissen.
„Ich habe zwar noch 5 Jahre bis dahin, doch in meinem
Fall ergreifen die halbwegs brauchbaren Kerle die Flucht,
sobald sie von Anna erfahren. Von Frauen bin ich
inzwischen ab.“ Den Mann, den ich wirklich will, kann ich
ohnehin nicht haben.
Nicole zieht eine gespielt beleidigte Schnute.
„Ach, Süße“, sage ich und gebe ihr einen Wangenkuss.
„So reizvoll ein Frauenkörper sein mag,
beziehungstechnisch funktioniert das für mich überhaupt
nicht. Es reicht, wenn ein Part in der Konstellation einen
achterbahnfahrenden Hormonspiegel hat. Mein eigenes
PMS ist genug, das muss ich nicht zusätzlich von außen
betrachten.“
„Du weißt nicht, was du verpasst.“
Mit unserem Gerede ziehen wir die Aufmerksamkeit einer
Gruppe Kerle auf uns. Männer haben ja die Tendenz, nicht
zuzuhören, wenn man ihnen etwas sagt. Aber lass nur die
Andeutung von Lesbensex verlauten und du kannst dir
sicher sein, dass sie das auch noch aus der lauten Musik
eines Clubs rausfiltern.
Nicoles eiskalte Blicke führen jedoch dazu, dass sie sofort
den Schwanz einziehen und sich nicht trauen, uns
anzusprechen. Sie ist keine männerhassende Emanze und
steht nicht ausschließlich auf Frauen, aber falls sie sich mit
Männern einlässt, dann nur mit ausgewählten - und erst
recht nicht mit solchen Bubis.
Dass sie mit Ende 20 bereits eine führende Position im
Einkauf eines Modekonzerns hat und damit wesentlich
mehr verdient als der durchschnittliche deutsche Mann,
erschwert die Partnersuche wohl zusätzlich. Laut ihrer
Aussage führt diese Tatsache entweder zu
Erektionsproblemen oder dem Anspruch, sich aushalten
lassen zu können.
„Außerdem sind die meisten Kerle auf verstörende Weise
auf Analsex fixiert“, fügt sie hinzu. Sandra rollt nur noch
mit den Augen.
„Da kann ich nicht mitreden.“ Ich hatte seit zwei Jahren
Ende der Demoversion!
Das vollständige eBook erhalten Sie bei
www.beam-ebooks.de
Melanie Hinz Unvermeidlich
1. Ich habe Haare auf den Zehen. Es ist nicht genug, dass ich immer die breitesten Füße mit den dicksten Kartoffelzehen habe. Nein, auf diesen kleinen Knubbeln müssen auch noch drahtige Stoppeln wachsen. Eigentlich habe ich kein Problem mit überschüssigem Testosteron, aber ich bin wohl die einzige Frau auf dem Planeten, die Enthaarungswachs auf den Zehen verwendet - wie ein verfluchter Hobbit. Mit einem unterdrückten Schrei ziehe ich den Wachsstreifen von meiner Haut. Prompt wickelt sich unser Kätzchen Bumblebee darin ein, weil sie mit einem halben Jahr immer noch nach allem schnappt, was sich bewegt. „War das nötig, Bumy?“, frage ich das wenig beeindruckte, schwarze Fellknäuel. Jetzt rede ich schon mit dem Vierbeiner. Ich muss dringend unter Leute. Und damit meine ich nicht den täglichen Kaffeeausschank in meinem Job im Coffeeshop Trudi´s. Mit einer Menge Geschrei (von der Katze) und einem zerkratzten Arm schaffe ich es schließlich, sie von dem Streifen zu lösen, ohne sie an dieser Körperstelle völlig haarlos zurückzulassen. Bumblebee liegt zu meinen Füßen am Badewannenrand und leckt ihre „Wunde“, während ich
die Kratzer auf meiner Haut desinfiziere. Nur ein freier Abend im Monat, an dem meine 6-jährige Tochter Anna bei meinen Eltern schläft und ich mit meinen Freundinnen ausgehen kann, doch nach dieser Aktion habe ich eigentlich schon keine Lust mehr. Ich will nicht jammern, nein, das will ich wirklich nicht. Aber ich bin erschöpft. Im Augenblick geht alles drunter und drüber. Mein Literaturwissenschaftsstudium musste ich abbrechen. So gerne ich auch diese starke Frau sein möchte, ich bekomme es nicht hin. Alleinerziehend und mit einem Halbtagsjob, schaffe ich es einfach nicht, am Abend noch angemessen für die Uni zu lernen. Ich bewundere Mütter, die das sogar mit zwei oder drei Kindern stemmen, doch ich habe eingesehen, dass ich nicht diese Powerfrau bin. Zudem muss ich mir eingestehen, dass es mir nicht so sehr liegt, wie ich ursprünglich glaubte. Anna ist völlig überdreht wegen ihrer bevorstehenden Einschulung und die Situation mit ihrem Vater verbessert das auch nicht gerade. In den letzten Wochen fechtet sie mit mir Machtkämpfe aus, die auf einer erschreckend reifen Ebene stattfinden. Manchmal möchte ich mir einfach nur die Decke über den Kopf ziehen und für die nächsten Tage nicht mehr aufstehen, aber ich weiß auch, dass ein Abend mit Sandra und Nicole mir die Möglichkeit gibt, Dampf abzulassen. Und die Aussicht darauf, wenigstens morgen früh
ausschlafen zu können, motiviert mich, doch noch unter die Dusche zu steigen, statt ins Bett, um mich für eine lange Nacht in der Mönchengladbacher Altstadt aufzubrezeln. Sandra und Nicole warten bereits in einem der vielen Straßencafés auf dem Alten Markt. Anscheinend haben sie vorgearbeitet, denn der Kellner stellt ihnen mindestens den zweiten Longdrink vor die Nase. Und an genau dieser Nase kann man bei Sandra prima ablesen, wenn sie etwas gezwitschert hat, denn die verfärbt sich im Laufe des Abends zu einem kleinen Feuermelder. Meine beiden Freundinnen könnten unterschiedlicher nicht sein. Nicole ist eine langbeinige, asiatische Schönheit, die ihr atemberaubendes Aussehen einer japanischen Mutter und einem skandinavischen Vater verdankt. Ihr köstlicher Sarkasmus wird von Außenstehenden oft als arrogant und herablassend empfunden, aber genau deswegen mag ich sie. Letztendlich ist sie einfach nur grundehrlich. Sandra ist ein draller Meterfünfzig, wie mein großer Bruder Jakob sie gerne bezeichnet. Sie hat ein Herz aus Gold und mit Gregor einen Mann an ihrer Seite, der sie mehr liebt als sich selbst. Mit ihrer kupferroten Lockenmähne ist sie ein Hingucker, nur wird sie wegen ihrer geringen Körpergröße meist übersehen. Zusammen mit Nicole amüsiere ich mich oft über ihr bürgerliches Leben mit diesem biederen Mann, doch Sandra
lacht uns nur aus. Sie weiß genau, dass zumindest ich ein wenig neidisch auf dieses geregelte Leben bin. „Daniela beehrt uns auch endlich mit ihrer Anwesenheit“, begrüßt mich Nicole und steht von ihrem Stuhl auf, um mich auf beide Wangen zu küssen. „Diese verfluchte Katze musste natürlich noch auf den Wohnzimmerteppich kotzen, als ich praktisch schon aus der Tür raus war. Ich frage mich jedes Mal aufs Neue, wie Anna mich dazu überreden konnte. Als hätte ich nicht genug Stress.“ Ich umarme Sandra und lasse mich auf einen Stuhl neben sie fallen. „Ich werde dir sagen, warum. Weil du deine Tochter liebst und ihr kaum etwas abschlagen kannst, wenn sie mit den Wimpern klimpert.“ Das kommt von Nicole, die selbst eine schmerzhafte Erfahrung mit dem überwältigenden Charme meines Kindes machen durfte. Schmerzhaft, vorrangig für ihre Kreditkarte. Es ist nicht meine Schuld, dass sie unbedingt alleine mit ihr in den Spielzeugladen wollte. „Ich hab ihr versprochen, sie bekommt eine Katze, wenn sie das Seepferdchen macht. Also hat sie das Seepferdchen gemacht.“ Sie ist eindeutig meine Tochter. Mit einer entsprechenden Belohnung konnten meine Eltern mich zu fast allem überreden. „Wie geht es dir?“, fragt mich Sandra und legt mir eine
Hand auf den Arm. Obwohl sie noch keine Kinder hat, ist sie die Mütterlichste von uns. Bei ihr habe ich mich letzte Woche ausgeheult, als ich den Entschluss fassen musste, mein Studium abzubrechen. „Damit abgefunden habe ich mich nicht. Aber irgendwie wird es weitergehen. Jetzt bin ich erst mal auf der Suche nach einem Vollzeitjob oder einem zusätzlichen Teilzeitjob zu meiner Stelle im Trudi’s.“ „Kann Kati nicht deine Stunden aufstocken?“, fragt Nicole. Sie denkt immer pragmatisch und packt Probleme direkt an, ohne lange darüber zu diskutieren. „Ich muss noch mit ihr reden. Sie war bis gestern Abend mit Jakob und Paul im Urlaub, da wollte ich sie nicht belästigen.“ Die Lebensgefährtin meines Bruders ist gleichzeitig meine Arbeitgeberin und inzwischen auch eine Freundin für mich. Außerdem ist sie die Lebensgefährtin von Paul. Ja, richtig. Die drei führen eine Beziehung zu dritt und das beinhaltet meines Wissens nach auch, dass die Männer miteinander Sex haben. Da Jakob daran beteiligt ist, verzichte ich allerdings gerne auf die schmutzigen Details. Ich will gerade den Kellner heranwinken, doch Nicole drückt meinen Arm wieder runter. „Wir gehen direkt zu dem neuen Club auf dem Kapuzinerplatz. Was du jetzt brauchst, sind ein paar nette Jungs und anständige Cocktails.“ Angeekelt schiebt sie
ihren halb getrunkenen Longdrink beiseite. „Jungs habe ich über. Ich brauche einen langen und harten Fick von einem kräftigen Kerl. Und einen anständigen Whisky.“ Dass Sandra in dem Moment ihren Wodka-Lemon durch die Nase rausprustet ist vermutlich meine Schuld. Dass der Kellner hinter mir ein Tablett mit leeren Gläsern fallen lässt, möchte ich lieber nicht auf meine Kappe nehmen. Der Club ist vollgepackt mit verschwitzten Menschen, die sich, mehr als in der Öffentlichkeit angebracht, aneinander reiben. Da Nicole den Besitzer kennt, bekommen wir dennoch eine ruhige Sitzecke in der Nähe der Bar. Jetzt bin ich doch froh, dass ich auf den Abend mit meinen Mädels nicht verzichtet habe, nur weil ich gestresst war. „Also, Liebchen“, sage ich zu Nicole und lege meine nackten Beine auf ihre jeansbedeckten Oberschenkel. „Was machen die Männer? Oder Frauen?“ Sandra rollt mit den Augen, weil Nicole ihre Hand unter mein Kleid schiebt und kurz vor meiner Pussy ablegt. „Alle nutzlos. Und du willst mich ja nicht mehr“, sagt sie und macht Anstalten, meinen Hals zu küssen. Kichernd befreie ich mich aus ihrem Griff und setze mich gerade hin. Vor ein paar Jahren sind wir mal betrunken im Bett gelandet, aber die Zeiten sind lange vorbei. „Ihr zwei …“, seufzt Sandra kopfschüttelnd und trinkt in
einem Zug ihren halben White Russian aus. Wenn sie so weitermacht, hat Gregor eine interessante Nacht vor sich. Die Grenze zwischen „ich bin geil“ und „mir ist schlecht“ kann erfahrungsgemäß sehr schnell verschwimmen. „Du hast gut reden. Mit deinem perfekten Ehemann hast du bei uns chronisch untervögelten Weibern überhaupt nichts zu meckern“, sage ich und zwinkere ihr zu. Ihre Nase erreicht gerade den Status Feuermelder. „Liegt an euch“, sagt sie. „An Verehrern und Verehrerinnen mangelt es jedenfalls nicht.“ „Stimmt schon“, sagt Nicole. „Deswegen will ich aber längst nicht alles haben, was sich anbietet. Du möchtest dir gar nicht vorstellen, was an Singles übrig bleibt, wenn man hart auf die 30 zugeht.“ Nicole ist die Älteste von uns dreien und lässt uns das auch bei jeder Gelegenheit wissen. „Ich habe zwar noch 5 Jahre bis dahin, doch in meinem Fall ergreifen die halbwegs brauchbaren Kerle die Flucht, sobald sie von Anna erfahren. Von Frauen bin ich inzwischen ab.“ Den Mann, den ich wirklich will, kann ich ohnehin nicht haben. Nicole zieht eine gespielt beleidigte Schnute. „Ach, Süße“, sage ich und gebe ihr einen Wangenkuss. „So reizvoll ein Frauenkörper sein mag, beziehungstechnisch funktioniert das für mich überhaupt nicht. Es reicht, wenn ein Part in der Konstellation einen achterbahnfahrenden Hormonspiegel hat. Mein eigenes
PMS ist genug, das muss ich nicht zusätzlich von außen betrachten.“ „Du weißt nicht, was du verpasst.“ Mit unserem Gerede ziehen wir die Aufmerksamkeit einer Gruppe Kerle auf uns. Männer haben ja die Tendenz, nicht zuzuhören, wenn man ihnen etwas sagt. Aber lass nur die Andeutung von Lesbensex verlauten und du kannst dir sicher sein, dass sie das auch noch aus der lauten Musik eines Clubs rausfiltern. Nicoles eiskalte Blicke führen jedoch dazu, dass sie sofort den Schwanz einziehen und sich nicht trauen, uns anzusprechen. Sie ist keine männerhassende Emanze und steht nicht ausschließlich auf Frauen, aber falls sie sich mit Männern einlässt, dann nur mit ausgewählten - und erst recht nicht mit solchen Bubis. Dass sie mit Ende 20 bereits eine führende Position im Einkauf eines Modekonzerns hat und damit wesentlich mehr verdient als der durchschnittliche deutsche Mann, erschwert die Partnersuche wohl zusätzlich. Laut ihrer Aussage führt diese Tatsache entweder zu Erektionsproblemen oder dem Anspruch, sich aushalten lassen zu können. „Außerdem sind die meisten Kerle auf verstörende Weise auf Analsex fixiert“, fügt sie hinzu. Sandra rollt nur noch mit den Augen. „Da kann ich nicht mitreden.“ Ich hatte seit zwei Jahren
Ende der Demoversion! Das vollständige eBook erhalten Sie bei www.beam-ebooks.de