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Megan Hart - Anonym - Briefe der Lust

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anja011 EBooki Megan Hart
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Der Preis dieses Bandes versteht sich einschließlich der gesetzlichen Mehrwertsteuer. 4/887

Megan Hart Anonym – Briefe der Lust Erotischer Roman Aus dem Amerikanischen von Ira Severin

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MIRA® TASCHENBÜCHER erscheinen in der Harlequin Enterprises GmbH, Valentinskamp 24, 20354 Hamburg Geschäftsführer: Thomas Beckmann Copyright © 2011 by MIRA Taschenbuch in der Harlequin Enterprises GmbH Titel der nordamerikanischen Originalausgabe: Switch Copyright © 2010 by Megan Hart erschienen bei: Spice Books Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Konzeption/Reihengestaltung: fredebold&partner gmbh, Köln Umschlaggestaltung: pecher und soiron, Köln Redaktion: Bettina Steinhage Titelabbildung: Corbis GmbH, Düsseldorf; Thinkstock/Getty Images, München Satz: Buch-Werkstatt GmbH, Bad Aibling ISBN (eBook, PDF) 978-3-86278-121-8 ISBN (eBook, EPUB) 978-3-86278-120-1 www.mira-taschenbuch.de

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Für die Testleser meines Vertrauens. Ihr wisst, wen ich meine. Für meine Familie, danke für Eure Unterstützung und Eure Liebe. Für meine Leser – ohne Sie hätte ich keinen Erfolg. Vielen Dank. Ohne Musik kann ich keine Bücher schreiben. Mein Dank geht an die Künstler und Musiker, die es mir möglich machen, Tag für Tag an meinem Computer zu sitzen, eine eigene Welt zu erfinden und sie mit Figuren zu bevölkern. Bitte unterstützen Sie die Arbeit dieser Menschen,

indem Sie ihre Musik nur auf legalem Weg beziehen. Don McLean: „Empty Chairs“; Joaquin Phoenix und Reese Witherspoon: „It Aint’t Me, Babe“; Joshua Radin: „Closer“; Justin King: „Same Mistakes“; Lifehouse: „Whatever It Takes“; Meredith Brooks: „What Would Happen“; Rufus Wainwright: „Hallelujah“; Sara Bareilles: „Gravity“; Schuyler Fisk: „Lying to You“; She Wants Revenge: „These Things“; Tim Curry: „S.O.S.“ 10/887

1. KAPITEL Manchmal denke ich daran, wie es damals war. Er kam heraus. Ich ging hinein. Wir be- wegten uns aneinander vorbei wie Schiffe auf dem Meer, so wie sich jeden Tag die Wege Hunderter von Fremden kreuzen. Der Au- genblick dauerte nicht länger, als es brauchte, um einen Schopf dunkler zerzauster Haare und das Funkeln dunkler Augen zu sehen. Als Erstes fielen mir seine Kleider auf, die kakifarbenen Cargohosen und das langärmlige schwarze T-Shirt. Dann bemerkte ich seine Größe und die Breite seiner Schultern. Innerhalb weniger Sekun- den wurde ich mir seiner auf jene besondere Weise bewusst, auf die Männer und Frauen einander wahrnehmen, und ich drehte mich auf den Spitzen meiner Kitten Heels um und folgte ihm mit meinem Blick, bis sich die

Türen des „Speckled Toad“ hinter ihm schlossen. „Soll ich warten?“ „Hm?“ Ich sah Kira an, die vor mir gegan- gen war. „Worauf?“ „Auf dich. Damit du umkehren und hinter dem Kerl herlaufen kannst, wegen dem du jetzt sicher ein steifes Genick hast.“ Sie grinste und zeigte auf die Tür, aber ich kon- nte ihn durch das Glas nicht mehr sehen. Ich kannte Kira seit der zehnten Klasse. Damals hatte uns unsere unerwiderte Liebe zu einem älteren Schüler namens Todd Browning verbunden – überhaupt hatten wir eine Menge gemeinsam gehabt. Schreckliche Frisuren, einen schlechten Geschmack, was Kleider betraf, und eine Schwäche für dicke Lidstriche. Wir waren Freundinnen gewesen, aber ich wusste nicht, als was ich sie jetzt bezeichnen sollte. Ich ging weiter in den Laden hinein. „Halt den Mund. Ich habe ihn kaum bemerkt.“ 12/887

„Wenn du es sagst.“ Kira neigte dazu, ziel- los umherzustreifen. Jetzt ging sie zu einem Regal voller Krimskrams, von dem ich niemals auch nur ein einziges Stück gekauft hätte. Sie hob einen Plüschfrosch hoch, der ein Herz zwischen seinen Beinen hielt. Auf das Herz war mit funkelnden Buchstaben MOM gestickt. „Wie wäre es damit?“ „Schönes Glitzern. Aber aus vielen ver- schiedenen Gründen kommt es nicht infrage. Ich bin schon fast entschlossen, ihr einen von diesen hier zu kaufen.“ Ich wandte mich einem Regal mit Porzellanclowns zu. „Himmel. Sie würde jeden einzelnen dav- on hassen. Ich bin sehr dafür, dass du einen nimmst.“ Kira prustete los, und ich stimmte in ihr Lachen ein. Ich versuchte, ein Geburtstagsgeschenk für die Frau meines Vaters zu finden. Sie ver- riet niemals ihr wahres Alter und bestand an jedem ihrer Geburtstage darauf, dass ihr „Neunundzwanzigster“ gefeiert wurde. Das 13/887

sagte sie stets mit einem neckischen Lächeln und versäumte nie, die Beute einzusammeln. Nichts, das ich kaufen konnte, würde sie beeindrucken, aber dennoch war ich wild entschlossen, das perfekte Geschenk für sie zu besorgen. „Wenn die Dinger nicht so teuer wären, würde ich darüber nachdenken. Sie sammelt dieses Limoges-Zeug. Wer weiß, vielleicht fährt sie auf einen Keramikclown ab.“ Ich berührte den Schirm einer seiltanzenden Monstrosität. Kira hatte Stella einige Male getroffen, und beide waren voneinander absolut nicht beeindruckt gewesen. „Ja, gut. Ich sehe mich mal bei den Zeitschriften um.“ Ich murmelte eine Antwort und suchte weiter. Miriam Levy, die Eigentümerin des „Speckled Toad“, führt eine große Auswahl an Dekorationsartikeln, aber deshalb war ich eigentlich nicht da. Ich hätte in jedes Geschäft gehen können, um nach einem 14/887

Geschenk für Stella zu suchen. Ihr hätte ein Gutschein für ein Nobelkaufhaus wie „Nei- man Marcus“ gefallen, obwohl sie natürlich über die Summe, die ich mir leisten konnte, die Nase gerümpft hätte. Ich war nicht we- gen der Porzellanclowns in Miriams Laden gekommen, und auch nicht, weil es nur ein- en halben Block vom Riverview Manor ent- fernt lag, wo ich wohnte. Nein, ich war wegen des Papiers in Miri- ams Laden gekommen. Pergament, handgearbeitete Grußkarten, Notizbücher, Blöcke mit exquisitem, zartem Papier, so dünn wie Seide, Bögen, die für das Beschreiben mit Füllfederhaltern gedacht waren, und fester Karton, der so gut wie alles aushalten konnte. Papier in allen Farben und Größen, jedes auf seine ganz eigene Art per- fekt, wie geschaffen für Liebesbriefe und Trennungsnachrichten, Kondolenzschreiben und Gedichte. Und nirgendwo war auch nur eine einzige Schachtel mit schlichtem 15/887

weißem Druckerpapier zu finden. Etwas so Primitives bot Miriam in ihrem Geschäft nicht an. Ich habe eine Art Schreibwaren-Fetisch. Ich sammle Papier, Stifte, Karten. Setzt man mich in einem Schreibwarengeschäft aus, kann ich dort mehr Zeit und Geld ver- schwenden als die meisten Frauen in Schuhläden. Ich liebe den Geruch von guter Tinte auf teurem Papier, das Gefühl einer schweren Leinenkarte zwischen meinen Fingern. Am allermeisten aber liebe ich den Anblick eines jungfräulichen Bogens, der da- rauf wartet, beschrieben zu werden. In jenen Momenten, bevor man den Stift auf das Papier setzt, scheint alles möglich. Das Beste am „Speckled Toad“ ist, dass Miriam das Papier sowohl blattweise als auch paketweise verkauft. Meine Papier- sammlung enthält Bögen aus cremefarbe- nem Leinen mit Wasserzeichen, einige handgeschöpfte Blätter aus Pflanzenfasern 16/887

und Karten mit Scherenschnitt-Szenen. Ich besitze Stifte in jeder Farbe und Größe. Die meisten von ihnen waren eher preiswert, haben jedoch etwas – die Tinte oder die Farbe –, das mich reizte. Viele Jahre kaufte ich mein Papier und meine Stifte in Antiquitätengeschäften oder fand es auf Grabbeltischen und in Gebrauchtwaren- läden. Als ich das „Speckled Toad“ entdeckte, war es, als hätte ich mein persönliches Nir- wana gefunden. Wenn ich etwas kaufe, stelle ich mir im- mer vor, dass ich es für einen wichtigen An- lass benutzen werde. Etwas Bedeutendes. Liebesbriefe, geschrieben mit einem Füllfed- erhalter, der sich wie selbstverständlich in die Hand schmiegt, und anschließend mit einem purpurroten Band umschlungen und einem scharlachroten Siegel versehen. Ich kaufe diese Dinge, ich liebe sie, aber ich ben- utze sie kaum jemals. Selbst anonyme 17/887

Liebesbriefe benötigen einen Empfänger … und ich hatte keinen Geliebten. Und außerdem, wer schreibt denn über- haupt noch? Handys, Instant Messenger und das Internet haben das Briefeschreiben über- flüssig gemacht, jedenfalls fast. Dennoch besitzt eine handgeschriebene Nachricht et- was Besonderes. Etwas sehr Persönliches, das danach schreit, ernst genommen zu wer- den. Etwas, das weit über eine in Eile auf einen Zettel gekritzelte Einkaufsliste oder eine Unterschrift auf einer Grußkarte aus Massenfertigung hinausgeht. Und doch würde ich wohl niemals eine so bedeutsame Nachricht schreiben, ging es mir durch den Kopf, während ich mit den Fingerspitzen über den seidig-glatten Rand eines Blocks Schreibpapier mit Prägung strich. „Hallo, Paige. Wie geht’s?“ Miriams Enkel Ari stapelte gerade einige Pakete auf dem Boden hinter dem Verkaufstresen auf. Dabei 18/887

verschwand er und tauchte gleich darauf wieder auf wie ein Kastenteufel. „Ari, mein Lieber. Ich habe noch eine Auslieferung für dich.“ Miriam trat durch die mit einem Vorhang versehene Tür hinter dem Tresen und sah ihren Enkel über ihre schmale Lesebrille hinweg an. „Jetzt sofort. Und bleib nicht wieder zwei Stunden weg, wie beim letzten Mal.“ Er rollte mit den Augen, nahm jedoch den Umschlag aus ihrer Hand entgegen und küsste sie auf die Wange. „Ja, mache ich, Grandma.“ „Guter Junge. Nun zu Ihnen, Paige. Was kann ich heute für Sie tun?“ Miriam schaute Ari mit einem liebevollen Lächeln nach, be- vor sie sich mir zuwandte. Wie immer war sie tadellos zurechtgemacht, kein Härchen, das nicht an seinem Platz gewesen wäre. Miriam ist eine echte Dame. Sie ist mindes- tens siebzig und besitzt so viel Stil, wie ihn 19/887

nur wenige Frauen haben, gleich welchen Alters. „Ich brauche ein Geschenk für die Frau meines Vaters.“ „Ah.“ Anmutig legte sie ihren Kopf schief. „Ich bin sicher, Sie finden das perfekte Geschenk. Aber falls Sie Hilfe brauchen, lassen Sie es mich wissen.“ „Danke.“ Ich war schon so oft hier gewesen, dass sie wusste, wie sehr ich es liebte, im Laden herumzustreifen. Die nächsten zwanzig Minuten verbrachte ich damit, die neuen Lieferungen feinsten Schreibpapiers zu betrachten und zu lieb- kosen. Dieses Papier konnte ich mir nicht leisten, ganz gleich, wie sehr ich es mir auch wünschte. Kira stöberte mich im hinteren Teil des Ladens auf. „Nun, Indiana Jones, wonach suchst du? Nach dem verlorenen Schatz?“ „Das weiß ich dann, wenn ich es gefunden habe.“ Ich warf ihr einen kurzen Blick zu. 20/887

Kira blickte zur Decke. „Ach je, lass uns doch einfach ins Einkaufszentrum gehen. Du weißt doch, dass es Stella völlig egal ist, was du ihr schenkst.“ „Aber mir ist es nicht egal.“ Ich konnte Kira nicht erklären, wie wichtig es mir war, Stella zu … nun, ich würde sie nicht beeindrucken können. Ich konnte sie nicht beeindrucken, und es würde mir auch niemals gelingen, sie nicht zu enttäuschen. Oder ihr nicht wieder einmal zu beweisen, dass sie recht hatte. Aber genau das war es, was ich wollte: ihr zeigen, dass sie sich irrte. „Du bist manchmal furchtbar stur.“ „Das nennt man entschlossen“, murmelte ich, während ich ein letztes Mal das Regal betrachtete, vor dem ich stand. „Man nennt es stur wie ein Esel und entschlossen, es nicht zuzugeben. – Ich warte draußen auf dich.“ Ich schaute kaum auf, als sie ging. Mir war klar gewesen, dass Kiras geringe 21/887

Aufmerksamkeitsspanne sie nicht gerade zur idealen Begleiterin für diesen Einkaufsbum- mel machte, aber ich hatte es schon viel zu lange aufgeschoben, Stella ein Geschenk zu besorgen. Seit ich aus unserer Heimatstadt nach Harrisburg gezogen war, hatte ich Kira nur selten getroffen. Eigentlich hatten wir uns vorher auch nicht oft gesehen. Als sie mich angerufen hatte, um zu fragen, ob ich sie treffen wollte, war mir keine Ausrede einge- fallen, die nicht gemein und kaltherzig geklungen hätte. Sie würde draußen vor dem Laden ganz zufrieden sein, während sie ein oder zwei Zigaretten rauchte, also wandte ich meine Aufmerksamkeit wieder der Suche zu, weiterhin entschlossen, genau das Richtige zu finden. Im Laufe der Jahre hatte ich herausgefun- den, dass es nicht zwingend das Geschenk selber war, das Stellas Billigung fand, son- dern etwas, das noch weniger greifbar war 22/887

als der Preis. Mein Vater kaufte ihr alles, was sie sich wünschte, und was sie nicht von ihm bekam, kaufte sie sich selber. Es war also un- möglich, ihr etwas zu kaufen, das sie wollte oder brauchte. Gretchen und Steven, die Kinder meines Vaters aus seiner ersten Ehe mit Tara, wählten den bequemen Weg und brachten ihre Kinder dazu, Stella etwas zu basteln, wie zum Beispiel eine mit Finger- farben bemalte Grußkarte. Meinen Hal- bgeschwistern gelang es, mit ihren planlosen Versuchen davonzukommen, während die Erwartungen an mich deutlich höher waren. Stellas eigene Jungen waren noch zu klein, um sich Gedanken über ein Geschenk zu machen. Es ist immer irgendwie von Nutzen, wenn man versucht, hohen Erwartungen gerecht zu werden. Da stand ich nun also, starrte vor mich hin und zermarterte mir den Kopf, welches Ges- chenk genau das richtige wäre. Um kein 23/887

Missverständnis aufkommen zu lassen: Die Frau meines Vaters ist keine üble Person. Sie hat nie aufgehört, zu versuchen, mich, so wie Gretchen und Steven, zu einem Teil ihrer Familie zu machen. Wobei es selbstverständ- lich und nur natürlich war, dass ich ihr nicht so viel bedeutete wie ihre eigenen Söhne Jeremy und Tyler. Aber meine Hal- bgeschwister hatten alle bei meinem Vater gelebt. Ich nie. Dann sah ich es. Das perfekte Geschenk. Ich nahm die Schachtel vom Regal und öffnete den Deckel. Drinnen lag auf tief- blauem Seidenpapier ein Stapel blassblauer Briefkarten. In der unteren rechten Ecke jeder Karte glitzerte ein stilisiertes S umgeben von fast unmerklich funkelnden Sternchen. Die Umschläge hatten dasselbe Sternenmuster und waren von Silberfäden durchzogen, die sie zum Leuchten brachten. Außerdem lag noch ein Füllfederhalter in der Schachtel. Ich nahm ihn heraus. Er war zu 24/887

leicht, und die kleine Quaste am oberen Ende wirkte zu verspielt, aber er war nicht für mich. Es war der perfekte Stift für Finger mit manikürten Nägeln, die Dankeskarten schrieben, in denen über jedem i statt eines Punktes ein Herzchen stand. Es war der per- fekte Füller für Stella. „Ah, Sie haben also etwas gefunden.“ Miri- am nahm die Schachtel entgegen und löste sorgfältig das Preisschild vom Boden. „Eine sehr gute Wahl. Bestimmt kommt es hervor- ragend an.“ „Das hoffe ich.“ Ich glaubte tatsächlich, dass es ihr gefallen würde, aber ich bemühte mich, mir nicht zu sicher zu sein, weil das zwangsläufig zu einer Enttäuschung führen musste. „Sie wissen immer ganz genau, was je- mand braucht, nicht wahr?“ Miriam lächelte, während sie die Schachtel in einen hübschen Beutel steckte und ihn mit einer Schleife verzierte, die sie mir nicht berechnen würde. 25/887